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Gemeinwohl-Ökonomie und die Gastronomie

mit bester Absicht erfolgreich erwirtschaften


Sozialunternehmen haben sich zum Ziel gesetzt, innovative Lösungen für gesellschaftliche Herausforderungen zu entwickeln. Und die "bessere Wirtschaft" ist auch in der Gastronomie angekommen.


Während ich mich immer intensiver mit Themen der Gemeinwohl-Ökonomie beschäftige, kämpfen soziale Gastronomieprojekte aus meinem Umfeld ums Überleben. Ich wollte das verstehen und fasse hier meine Einsichten zusammen.


Denn selbst die besten sozialen und ökologischen Absichten reichen nicht aus, um ein Konzept langfristig auf dem Markt zu etablieren und seine nachhaltige Wirkung zu entfalten. An einer finanziellen Tragfähigkeit führt kein Weg vorbei, auch wenn hohe Renditen nicht die ersten Entscheidungskriterien für Sozialunternehmer:innen sind...


 

Gesellschaftlicher Nutzen statt Gewinnmaximierung


Das oberste Ziel des sozialen Unternehmertums ist es, Lösungen für soziale Herausforderungen zu entwickeln. Das Gemeinwohl überwiegt die individuellen Bedürfnisse von Sozialunternehmer:innen, denn sie wollen einen positiven Einfluss auf ihr lokales oder sogar globales Umfeld haben. Sie streben auch danach, einen angemessenen Lebensunterhalt zu verdienen, doch ihr eigener finanzieller Vorteil darf nicht zum Nachteil anderer maximiert werden.


„Man kann ein Unternehmen aufbauen, davon leben, damit wachsen und ein Konzept haben, das besser ist als das der alten Wirtschaft. Ein alternatives Wirtschaftsmodell.“ Matheo Gundermann, Soziale Bierbrauerei Quartiermeister

Da die Gastronomie inmitten des alltäglichen Geschehen steht, ist sie eine prädestinierte Bühne, um soziale und ökologische Themen transparent zu machen, aufzuklären und einen besonderen Lösungsweg vorzuschlagen, von dem alle auf einmal profitieren.



Neuartige Gastronomie-Konzepte


Mit den besten Absichten hat die Gastronomie die einmalige Chance, den Gästen Denkanstöße zu geben und so einen Einfluss auf die Gesellschaft zu gewinnen. So entstehen in den letzten Jahren insbesondere in den Großstädten spannende Gastro-Konzepte mit neuem Fokus.


In einer ehemaligen Kantine verarbeitet die Community Kitchen zum Beispiel seit Anfang dieses Jahres ausschließlich Lebensmittel, die nicht mehr in die Supermärkte gelangen dürfen, und bereitet täglich mit Sterneköchen, Angestellten mit Migrationshintergrund und ehrenamtlichen Helfer:innen bis zu 2000 kreative Mahlzeiten zu.


"Wir retten Lebensmittel, die sonst im Müll landen würden, prüfen sie auf ihre Verwertbarkeit, reinigen und verarbeiten sie und zaubern daraus leckere Gerichte." Günes Seyfarth, Community Kitchen

Ein erfolgreiches Konzept, das auch Flüchtlinge aus der Ukraine bei ihrer Ankunft in Deutschland versorgt hat und bald Nachahmer finden könnte.



Unternehmerisches Handeln und soziales Denken im Einklang


Doch Sozialunternehmen und Ehrenamt sind zwei Paar Schuhe, denn Sozialunternehmen verfolgen wirtschaftlichen Erfolg. So sind Spenden und ehrenamtliche Arbeit oft nicht die wichtigsten Ressourcen eines Sozialunternehmens, das - abgesehen von Crowdfunding-Kampagnen - seinen Weg über die üblichen Finanzierungsmöglichkeiten sucht.


Jedoch zögert die alte Wirtschaft immer noch, Geld in Unternehmen zu stecken, die von Natur aus nicht die höchsten Renditen versprechen. Die KfW-Bank hat den Bedarf erkannt und als erste Bank ein Förderprogramm für Sozialunternehmen entwickelt:

„Wir fördern Gründungen, die eine Balance zwischen sozialem oder ökologischem Engagement und nachhaltigem Wirtschaften anstreben. Die Förderangebote sind auf die Bedürfnisse von gewerblichen Sozialunternehmen zugeschnitten, die einen wirtschaftlich nachhaltigen Betrieb mit Gewinn verfolgen.“

Wenn das Konzept Wachstumspotential hat


Die 2015 gegründete Seniorenbäckerei Kuchentratsch beschäftigt Omas und Opas, die in der Backstube gemeinsam ihre Lieblingskuchenrezepte backen, dabei tratschen und sich etwas zu ihrer Rente dazuverdienen. Die Kuchen werden für private Partys gebacken, an lokale Cafés geliefert oder, seit der Corona-Pandemie, per Paketdienst in ganz Deutschland verschickt. Ein großartiges Konzept, das 2018 über die Fernsehsendung Höhle der Löwen die Aufmerksamkeit von Investoren auf die Bäckerei lenkte.


Der Erfolg der Bäckerei führte dazu, dass sie in diesem Jahr einen größeren Standort suchte. Doch die Finanzierung der Expansion geriet kurz vor dem Umzug in die neuen Räumlichkeiten plötzlich ins Wanken, und Kuchentratsch musste im Sommer bedauerlicherweise Insolvenz anmelden. Die Finanzierungslücke für die neue Großbäckerei konnte nicht mehr geschlossen werden, denn Investoren sind angesichts der angespannten Wirtschaftslage eher zurückhaltend, ihr Geld in Unternehmen zu investieren, die keine maximale Rendite versprechen.


Oftmals aus einem idealistischen Gedanken heraus geboren, darf eine Geschäftsidee, wie ein konventionelles Unternehmen, immer auf ihre finanzielle Tragfähigkeit hin überprüft werden. Auch wenn ihr Erfolg nicht ausschließlich an finanziellen Kennzahlen gemessen wird.



Zusammen co-erwirtschaften


Müssen Sozialunternehmen also klein bleiben, um auf dem Markt zu überleben? Mit dem Aufkommen sogenannter "Impact-Investoren" könnte sich das in den kommenden Jahren zum Glück ändern!


Das Netzwerk SEND e.v. bietet übrigens eine wertvolle Plattform, um Tipps, Erfahrungen und Partner für eine neue Geschäftsidee zu finden. Denn im Kern haben Sozialunternehmen die Eigenschaft, sich ohne Angst vor Konkurrenz zu vernetzen. Das liegt daran, dass sie das gemeinsame Ziel haben, das Gemeinwohl der Gesellschaft zu stärken!


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