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der Personalengpass erfordert neue Ansätze



Zu behaupten, dass die Corona-Krise den Personalmangel in der Gastronomie verursacht hat, wäre zu einfach. Das Thema ist vielschichtiger und erfordert eine gewisse Differenzierung, bevor die richtigen Maßnahmen ausgearbeitet werden können.

Denn die Opferrolle einzunehmen bringt in der Regel keinen Fortschritt. Wir dürfen die Branche für Arbeitnehmer:innen wieder attraktiver machen. Auf der einen Seite hat die Gastronomie den Ruf eines hohen Stresslevels, intensiver Arbeitszeiten und niedriger Löhne, auf der anderen Seite steht sie für schöne Facetten wie Kreativität und das Glücklich machen anderer, was spätestens in den strahlenden Gesichtern begeisterter Gastgeber:innen zu sehen ist.

Doch wen suchen wir eigentlich? Und wie finden wir neue Mitarbeiter:innen, die die Branche langfristig mit ihrer Leidenschaft und ihrem Enthusiasmus bereichern?


 

Ein stetiger Rückgang der neuen Auszubildenden seit 2007


Die Corona-Pandemie hat sich spürbar auf die Personalsituation in der Gastronomie ausgewirkt. Sie hat jedoch "nur" den Trend beschleunigt, der bereits vor 15 Jahren begann und zu einem zunehmenden Mangel an jungen Menschen in der Branche führt.

Seit 2007 ist die Zahl der Nachwuchskräfte, die eine Ausbildung in dieser Branche beginnen, jedes Jahr gesunken.

Zwischen 2007 und 2019 ist die Zahl der neuen Auszubildenden im Gastgewerbe um 51,5 % zurückgegangen. Berücksichtigt man auch die Jahre 2020 und 2021, sogar um 62%. – Quelle: DEHOGA Bundesverband, 2022

Die Tatsache, dass wir einen kontinuierlichen Rückgang der jungen Bevölkerung demografisch erklären können und dass wir gewisse Anpassungsschwierigkeiten mit den Generationen Y und Z haben (Link zum Blogbeitrag), reicht nicht mehr aus, um diese Entwicklung wegzureden. Vielmehr macht die Erkenntnis deutlich, dass die Branche ein strukturelles Problem hat.

Hinzu kommt, dass fast jeder zweite Koch-Azubi und jeder vierte Lehrling die Ausbildung vorzeitig abbricht. Wir können solche Zahlen zum Anlass nehmen, die Ausbildung in der Gastronomie zu überdenken und sie für die junge Generation spannender zu gestalten. Unter anderem könnte ein neuer Fokus auf Nachhaltigkeit - ein Thema, das immer mehr an Bedeutung gewinnt - der jungen Generation ganz neue Zukunftsperspektiven in der Branche bieten.

Der Mangel an ausgebildeten Fachkräften wurde in den letzten Jahren bis zu einem gewissen Grad durch ungelerntes Personal kompensiert.



Minijober und studentische Aushilfen als Verlierer der Corona-Krise


Im Rahmen der Corona-Pandemie war bekannt, dass das Kurzarbeitergeld für viele Festangestellte eine große finanzielle Belastung darstellte. Doch während der Zeit, in der die Gastronomie schließen musste, fielen Aushilfen völlig durch das Raster, denn sie hatten keinen Anspruch auf Lohnfortzahlung.

Während die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigten laut Bundesagentur für Arbeit zwischen Februar 2019 und September 2021 um 7 % zurückging, sank die Zahl der Aushilfen und Minijober:innen im gleichen Zeitraum um 20 %. Viele von ihnen haben sich in anderen Berufen umorientiert.

Gerade Aushilfen stehen oft abends und am Wochenende neben ihrem Studium oder einer anderen Beschäftigung zur Verfügung und greifen dem Fachpersonal unter die Arme, um gemeinsam die Spitzenzeiten in der Gastronomie zu bewältigen. Mit abnehmender Attraktivität der Branche für Minijobber:innen und Werkstudent:innen steigt das hohe Stresslevel beim Stammpersonal!

So erklärt sich der Teufelskreis von selbst: Unter bestimmten Umständen werden Überstunden geleistet, was irgendwann zu einer Überforderung führt. Dadurch wird die Branche für festangestellte Mitarbeiter:innen zunehmend unattraktiver und es kommt zu weiteren Kündigungen. Um sich vor einer Überforderung des bestehenden Personals zu schützen, passen einige Gastronomiebetriebe ihre Öffnungszeiten an, reduzieren das Angebot oder verkleinern ihre Terrassen.

Im Umkehrschluss bedeutet es, dass nicht nur neues Personal benötigt wird, sondern auch darauf geachtet werden soll, das bestehende Personal im Betrieb zu halten.



Beschäftigungsmodelle im eigenen Betrieb neu denken


Mit 68,1 % in den Jahren vor dem Beginn der Corona-Pandemie hat das Gastgewerbe eine der höchsten Fluktuationsraten auf dem Arbeitsmarkt. Diese Zahl bedeutet, dass beinahe 7 von 10 Beschäftigten jedes Jahr das Unternehmen verlassen. Eine zu hohe Fluktuation verursacht einen erheblichen Aufwand sowie zusätzliche Kosten in der Trennungs-, Bewerbungs- und Einarbeitungsphase.

Es gibt kaum eine andere Möglichkeit, als das Arbeitsverhältnis zu verbessern. Das kann unter anderem in Form einer besseren Planung der freien Tage, mehr Freizeit oder auch verlässlicheren Arbeitszeiten geschehen.

Das 25hours Hotel testete zum Beispiel zwischen November 2021 und Februar 2022 die 4-Tage-Woche in Hamburg und führte sie im April 2022 in allen Hotels der DACH-Region ein. Die Mitarbeiter:innen können zwischen dem klassischen 5-Tage- oder dem neuen 4-Tage-Modell wählen, in dem sie an vier Tagen in der Woche je 9 Stunden arbeiten und garantiert drei Tage frei haben.

„Wir konnten knapp 80 Prozent unseres Teams für eine Teilnahme begeistern und sehen ausgeglichenere und produktivere Kollegen“, Kathrin Gollubits, VP of People & Culture bei 25hours.

Außerdem darf die Frage der Löhne nicht vergessen werden. Die Branche ist zwar momentan für weitere Kostensteigerungen nicht zu sprechen. Doch ein höherer Lohn ähnelt einer Investition, die sich im Laufe der Zeit durch größere Zufriedenheit, weniger Krankheitsausfälle und längere Arbeitsverhältnisse auszahlen kann.



sich auf dem Arbeitsmarkt bewerben... als Arbeitgeber:in!


"Wir suchen Personal für die Küche". Heute reicht es nicht mehr aus, auf vakante Stellen aufmerksam zu machen. Schon seit langem verlangen wir von den Bewerber:innen beste Vorbereitung auf ein Vorstellungsgespräch: „Wer sind sie? Was ihre Stärken und Schwächen? Warum wollen Sie für uns arbeiten?“, usw.

Heute hat sich der Spieß umgedreht und die Unternehmen dürfen sich potenziellen Interessent:innen von ihrer besten Seite präsentieren. Dazu gehört eine klare Vorstellung davon, wofür das Unternehmen steht. Welche "Soft Facts" bietet das Unternehmen, welche Werte werden vorgelebt? Wie ist die Kommunikation innerhalb und mit dem Team geregelt? Sind diese hervorstechenden Aspekte auch für die Gäste vor Ort erkennbar? Stimmt das Selbstbild des Betriebes mit dem überein, was die Gäste bei ihrem Besuch wahrnehmen?

In einer Arbeit, die ich in den letzten Monaten betreuen durfte, befragte eine Studentin zwei Geschäftsführer und die Restaurantleiterin eines renommierten bayerischen Gasthauses zum Thema Fachkräftemangel. Auf die Frage "Was ist die Vision deines Unternehmens?" erhielt sie eine (immerhin!) einheitliche Antwort:

Ehrlich gesagt müssen wir unsere Vision noch entwickeln. Wir sind noch nicht so weit, das haben wir eigentlich noch nicht herauskristallisiert.

Dieser Betrieb steht stellvertretend für viele Restaurants in Deutschland. Für sie ist es trotz eines guten Netzwerks oder spannender Weiterentwicklungsmöglichkeiten besonders schwierig, neues Personal zu rekrutieren.

Gastronomiebetriebe hingegen, die sich mit ihrer Unternehmensvision und ihren Werten auseinandersetzen und diese nicht nur nach außen kommunizieren, sondern sie auch im Team leben, suchen gezielt nach Mitarbeiter:innen, die zu ihnen passen. So ist nicht nur der Einarbeitungsprozess einfacher, sondern das Team wächst schneller als Familie und die Fluktuation ist deutlich geringer. Gemeinsame Werte verbinden und inspirieren weit über die erste Euphorie eines neuen Jobs hinaus.

Soziale Kontakte, schnelles Feedback, handfestes Handwerk, ... die Qualitäten der Berufe sind für Gastronom:innen vielleicht eine Selbstverständlichkeit, für Außenstehende jedoch kaum in einem Home-Office-Job zu spüren. Vor allem branchenfremdes Personal kann neugierig werden und den Wunsch verspüren, 1-2 Tage pro Woche mit voller Begeisterung in der Gastronomie zu arbeiten.



Schlusswort


Kaum eine andere Branche ist von so viel Menschlichkeit geprägt wie die Gastronomie. Es liegt in unserer Hand, genau das in den Vordergrund zu stellen, ein Beispiel zu geben und mehr Menschen für die Branche zu begeistern.


 

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